Die demographische Entwicklung in Deutschland und anderen Industrienationen ist allgemein bekannt: der hohe Stand medizinischer Forschung und Wissenschaft ermöglichte die Eindämmung und Ausrottung lebensgefährlicher Krankheiten sowie eine steigende Lebenserwartung; der sich einstellende allgemeine Geburtenrückgang bewirkt bei dieser Entwicklung eine gewaltige Umschichtung der Altersstruktur der Bevölkerung in eben diesen Ländern.
Obwohl in Zukunft mit einem Rückgang der Bevölkerungszahlen zu rechnen ist, wird der prozentuale Anteil der Älteren an der Gesamtbevölkerung weiter zunehmen. In den Ländern Europas sind z. Zt. ca. 15% der Bevölkerung älter als 65 Jahre. Diese stellt die Gesellschaft vor bisher nicht existierende Probleme (nicht nur in der Rentenfrage). So ist in Zukunft mit einer Zunahme der altersbedingten Krankheits- und Pflegebedürftigkeitsfälle auszugehen, mit allen sich daran anschließenden Auswirkungen für das individuelle soziale Umfeld (Angehörige, Freunde, Bekannte,...) und die Gesellschaft allgemein (Kosten für Gesundheitsförderung, -erhaltung, -wiederherstellung und Rehabilitation sowie die Förderung innovativer Maßnahmen in der Altenarbeit).
Derzeit sind fast 10 Millionen der bundesdeutschen Bevölkerung
über 65 Jahre alt. Ein Viertel von ihnen gilt als psychisch krank
(ca. 2,5 Millionen), von denen ein nicht unerheblicher Anteil an mittelschweren
und schweren Formen dementieller Erkrankungen leidet. Einige Forscher schätzen
die Zahl der Dementen in Deutschland sogar auf bis zu 1.1 - 1.6 Millionen
(ungefährer Anstieg der Zahl pro Jahr ca. 50.000), worauf mehr als
die Hälfte auf die Demenz des Alzheimer- Typs (DAT) entfällt.
Selbst bei größeren Unregelmäßigkeiten in den
o.g. Zahlen könnte man für die Stadt Osnabrück von einer
Zahl von 2.000 bis 3.500 Menschen (zusammen mit dem Landkreis sogar von
7.000 bis 10.000 Menschen) ausgehen, die als Haupt-, oder zumindest als
Nebenbetreuer durch die mehr oder weniger große Übernahme der
Pflege eines dementierenden Familienmitgliedes belastet sind, denn nur
ein Bruchteil dieser Personengruppe (max. ¼) ist in Heimen oder
anderen stationären Einrichtungen untergebracht. Die Pflege einer
von dieser Krankheit betroffenen, die im steigenden Maße von der
ständigen Hilfe anderer abhängig ist, wird also in den meisten
Fällen von den Familien selber bewältigt.
Die Zahl von ca. 20 Mitgliedern in der örtlichen Alzheimer-Angehörigenselbsthilfegruppe nimmt sich gegenüber der o.g Anzahl potentiell Betroffener eher gering aus. Ein Modellprojekt der Techniker Krankenkasse beweist die Gefahr des streßbedingten Burn-out-Syndroms, der pflegende Angehörige ständig ausgesetzt sind. Die Studie ergab, daß
Meiner Meinung nach muß es u.a. die Aufgabe von akademisch ausgebildeten Pflegeexperten sein, die Bedürfnisse und Wünsche der potentiellen Kunden zu erkennen, sie zu präzisieren, daraus ein entsprechendes Angebot zu entwickeln und dieses mit Hilfe eines adäquaten Service angemessen anzubieten.
In meiner Diplomarbeit werde ich die Bedürfnisse und Wünsche pflegender Angehöriger von Dementierenden durch die Verwendung des in den Niederlanden entwickelten Zorgkompas (zu deutsch Sorgekompaß) in persönliche Interviews extrahieren. Es handelt sich dabei um einen strukturierten Interviewleitfaden, mit dem professionell Pflegende die Belastungen dieser Personen erfassen können.
Mit dem Interview werden die Belastungen aus unterschiedlichen Perspektiven erkundet. So werden sowohl die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Dementierenden, der sorgenden Familienmitglieder (und anderer invollvierter Personen) als auch eine Anzahl von Umgebungsmerkmalen betrachtet. Durch die Sammlung und anschließende wissenschaftliche Analyse dieser Informationen erscheint es möglich, sich ein Gesamtbild von der Situation pflegender Angehöriger von altersverwirrten Menschen in Osnabrück zu verschaffen, mit all ihren Problemen und Fragen. Diese identifizierten Aspekte sollen abschließend zur Entwicklung eines regionalen Hilfsangebots unter Einbeziehung und Vernetzung bereits bestehender öffentlicher und privater Dienste und Institutionen beitragen.
Das Ziel dieser Arbeit ist also ein Angebot, welches sich direkt an den Bedürfnissen der Kunden (hier pflegende Familienmitglieder von Demenzkranken) orientiert und nicht etwa an dem, was Institutionen und andere Dienstleitungsanbieter für wichtig erachten. Die Ergebnisse dieser Arbeit können (im besten Fall) einen nachhaltigen Einfluß auf die positive Entwicklung eines Angebotes für pflegende Angehörige von Alzheimer-Kranken in Osnabrück und ggf. seiner Institutionalisierung in dieser Region und damit unmittelbaren Wirkung auf die zukünftige psych. und phys. Entlastung dieser Personengruppe haben.
© by Matthias Hejda, November 1998