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zur Basalen Kommunikation

Basale Kommunikation – im Austausch bis zuletzt

von
Winfried Mall, Diplom-Heilpädagoge (FH)
Institut für Basale Kommunikation
Neustraße 22, D-79312 Emmendingen
Fon +49-7641-9593250, Fax +49-7641-9593251

Sie begleiten einen Menschen auf seinem Weg zum Tod, vielleicht am Ende eines längeren Pro-zesses, in dem immer mehr seiner Möglichkeiten verloren gegangen sind, so dass Sie nicht mehr auf übliche Weisen – mit Sprache, Mimik, Gestik – in Austausch treten können. Und doch möchten Sie diesem Menschen weiter zeigen: „Ich bin bei dir – du bist nicht allein – ich begleite dich, so lange es geht.“ Sie nehmen wahr, dass der andere atmet – so lange er lebt. Sie spüren die Eigenart dieses Rhythmus’: Das Ausatmen – ein Loslassen, Hergeben, ein weiterer, kleiner Schritt zum Tod. Die Pause danach, in der es sich neu sammelt, konzentriert – dann der Impuls zum Luft Holen. Das Einatmen – zulassen, erfüllt und beschenkt zu werden, neues Leben schöpfen. Der Umschwung, wenn es genug ist, es wieder ans Loslassen geht. Und wieder Ausatmen. In diesem Rhythmus leben wir unser Leben, von der Geburt bis zum Tod. In ihm zeigt sich unser Innerstes, offenbaren wir un-sere Seele, bis wir sie im letzten Atemzug „aushauchen“.

Sie stimmen sich auf diesen Menschen auf noch feinere Weise ein, wenn Sie sich in seinen Rhythmus zu atmen einschwingen. Sie spüren am eigenen Leib, wie er lebt, wie es ihn bewegt. Sie begleiten ihn in seinem Ausatmen, nehmen sich zurück für die Phase der Sammlung, lassen das Einatmen bei sich wie beim andern einfach zu, begegnen ihm dann wieder im gemeinsamen Aus-atmen – spielerisch, wie ein gemeinsamer Tanz, für eine Zeit lang, so wie es eben geht, ganz im Bei-sich-Sein.

Mit seinem feinen Gespür für das Wesentliche spürt der andere, dass Sie auf intensivere Weise bei ihm sind. Vielleicht bettet sich Ihre Ansprache in den gemeinsamen Rhythmus, vielleicht „un-terstreichen“ Sie das gemeinsame Ausatmen mit einer Berührung, einem Streichen über den Arm, mit einem sanften Druck der Hand, oder indem Sie Ihre Hand locker auf seinen Körper legen und sie ganz behutsam in Ihrem gemeinsamen Rhythmus mitgehen lassen – immer darauf bedacht, den andern nicht zu bedrängen. Sie spiegeln Laute, Spannungsveränderungen oder andere Äußerungen seines Körpers mit Ihrem Tun zurück.

Vielleicht – wenn es der Situation und Ihrer Beziehung zu einander angemessen ist – finden Sie eine Haltung, in der der andere sich bequem gegen Sie lehnen kann, so dass sein Rücken und Ihr Bauch in Kontakt sind (oder auch seitlich halb hinter ihm sitzend, wenn er dazu in der Lage ist, den Arm über seine Schultern gelegt – oder vielleicht sich im Liegen an seinen Körper schmiegend). So stimmen Sie wieder Ihren Atemrhythmus in den des andern ein, und er spürt mit seinem ganzen Leib, dass Sie mit einander im Einklang sind.

Menschen, die dieses Zusammensein erlebt haben und danach darüber sprechen konnten, berich-teten, es müsse so ähnlich sein, wie sich das ungeborene Kind im Mutterleib fühlt, völlig geborgen und getragen, im einfachen Da-Sein ohne jedes Sollen, nur gewiegt im gemeinsamen Rhythmus des Atems: Basale Kommunikation, die nichts voraussetzt als lebendig da zu sein.


Erstveröffentlichung in der Alzheimer Info 2/04. Hier weitere Beiträge zur Basalen Kommunikation.

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