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Optische Hilfsmittel

verringern

visuelle Halluzinationen

© Dr. Dr. Herbert Mück, Köln

Chicago/USA. Unter visuellen Halluzinationen leidet mitunter jeder dritte Demenz-Kranke, der stationär gerontopsychiatrisch betreut wird. Klassische optische Eingriffe und Hilfsmittel (Kataraktoperationen, spezielle Brillen, optimalere Beleuchtung) bessern diese manchmal eindrucksvoll. L. Pankow und Mitarbeiter beschreiben drei eindrucksvolle Schicksale.

Von Amputierten ist bekannt, daß einige eine entfernte Körpergliedmaße weiterhin so erleben, als sei sie noch real vorhanden ("Phantomschmerz"). Ähnlich halluzinieren auch manche Augenkranke und Erblindete visuell ("Phantomvision"). In beiden Fällen zeichnen neurologische (also organische) Phänomene dafür verantwortlich. Da Demenz-Kranke aufgrund des meist höheren Alters häufig unter Augenproblemen leiden, sollte man eventuelle visuelle Halluzinationen nicht vorschnell als "Demenz-Symptom" einstufen. Die Wahrscheinlichkeit einer organischen Mitverursachung ist groß und damit auch die Aussicht, erfolgreich intervenieren zu können. "Visuell halluzinierende" Demenz-Kranke sollten daher routinemäßig augenärztlich untersucht werden.

Dies verdeutlichen die von Pankow und Mitarbeitern mitgeteilten Krankheitsverläufe, von denen einer hier beispielhaft skizziert sei. Es handelt sich um eine 80 Jahre alte Frau mit vaskulärer Demenz, die seit Jahren visuell halluzinierte, sie sei von Kindern und Hunden umgeben. Ihre Familie berichtete, daß die ältere Dame im Haus umherwanderte und dabei alle möglichen Dinge in einem Beutel hortete. Gleichzeitig erzürnte sie sich über die in ihrer Vorstellung vorhandenen Kinder und versuchte sie, nicht vorhandene Gäste zu bewirten. Der Tochter fiel auf, daß die Mutter dazu neigte, in Gegenstände hineinzulaufen und an Dingen rechts vorbeizugreifen. Die zuletzt genannten Verhaltensweisen legten die Vermutung nahe, daß die Patientin an einer linksseitigen Hemianopsie litt. Da die Patientin aufgrund ihrer intellektuellen Einbußen nicht mehr an einer Gesichtsfeldüberprüfung mitwirken konnte, blieb der Verdacht unbestätigt.

Die Ausstattung ihrer Brille mit einem Fresnel-Prisma besserte die visuellen Halluzinationen eindrucksvoll: Während diese vor der optischen Intervention stündlich auftraten, waren sie anschließend durchschnittlich nur noch einmal pro Tag zu registrieren. Es gelang der Patientin wieder, einige Stunden am Stück zu sitzen und zu lesen. Sie erregte sich nicht mehr über die halluzinierten Kinder und unterließ die ständigen Hinweise, "daß sie die Gäste unterhalten müsse". Als das Prisma in der achten Woche von der Brille fiel und verloren ging, erregte sich die Patientin erneut. Ihr Zustand besserte sich wiederum, als ihre Brille dauerhaft ein neues Prismensystem erhielt.

Erläuterung: Das auf dem linken Augenglas angebrachte Prisma rückte optisch Dinge aus dem linken Gesichtsfeld in die Mittellinie. Es erweiterte somit das Gesichtsfeld der Patientin und erleichterte es ihr, die Welt wieder realistischer wahrzunehmen.

L. Pankow, N. Pliskin, D. Luchins: An optical intervention for visual hallucinations associated with visual impairment and dementia in elderly patients. The Journal of Neuropsychiatry and Clinical Neurosciences 1996 (8), 88-92


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Wir danken

für die Bereitstellung des Textes aus dem ZNS- bzw. DEMENZ-SPEKTRUM