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Freizeit- und Erholungsprojekt für Demenzkranke und ihre Angehörigen

von Sylvia Kern, Geschäftsführerin der Alzheimer Geselschaft Baden-Württemberg e.V.

Dieses Jahr war es endlich soweit: Ich konnte meinen Vorsatz wahrmachen, das Freizeit- und Erholungsprojekt für Demenzkranke und ihre Angehörigen in Isny kennen zu lernen.

Hervorgegangen aus einer Idee bzw. Initiative der Angehörigengruppe Ravensburg hat sich hier mittlerweile ein Kooperationsprojekt etabliert, das für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen nicht mehr wegzudenken ist, und das jeweils einen langen positiven Nachklang im häuslichen Alltag hat.

Das Organisationsteam für die Freizeit- und Erholungsmaßnahme besteht aus den ehrenamtlichen Initiatoren, dem Altenhilfefachberater des Landkreises, der IAVStelle (Informations-, Anlauf- und Vermittlungsstelle für ältere Menschen) und Fachkräften der Diakonie.

An einem schönen, wenn auch leicht durchwachsenen Tag Ende April habe ich also unsere Geschäftsstelle „im Stich gelassen“, um das schon zum dritten Mal in jährlicher Folge stattfindende Angebot im Allgäu für einige Stunden selbst zu erleben.

Und ich war nicht nur sehr angenehm überrascht, sondern auch sehr beeindruckt von meinen Erlebnissen vor Ort: Die Tagungsstätte des Stephanuswerks liegt ein wenig außerhalb von Isny, eingebettet in eine idyllische Landschaft mit viel Ruhe und Weite.

Gleich im Eingangsbereich sehe ich eine berührende Szene: eine sehr resolute ältere Dame liest einer Gruppe von Demenzkranken mit Herzblut und Überzeugung Gedichte vor. Auch sie selbst ist dement, aber sehr aktiv und interessiert – ihre Zuhörer können sicher nur äußerst eingeschränkt zuhören und begreifen, sind aber dennoch offensichtlich angetan von der Zuwendung durch die „Vorleserin“.

Im Gebäude selbst herrscht eine ausgesprochen freundliche und angenehme Atmosphäre.

Hilfsbereite Mitarbeiterinnen weisen mir den Weg zu den Leiterinnen und Ansprechpartnerinnen des Projekts – allen voran zu unserer 2. Vorsitzenden Gisela Harr, die hier von Anfang an treibende Kraft ist.

In einem der Räume findet gerade ein Beschäftigungsangebot für die Kranken statt, einfühlsam und fachkundig geleitet von unserem Vorstandsmitglied Gabriele Schnell. Ich will nicht stören und schaue weiter.

Überall treffe ich auf kleine Grüppchen – Menschen mit Demenz in Begleitung ihrer Angehörigen oder ihrer Betreuer. Eine 1:1- Betreuung ist durchgängig gewährleistet, die Angehörigen werden ermuntert, auch einmal loszulassen und Anderen die Betreuung ihres Kranken anzuvertrauen.

Das gelingt im Laufe der zehntägigen Freizeit auch zunehmend und ist für die Angehörigen oft ein wichtiger Lerneffekt: „Ich muss nicht alles allein bewältigen, und nicht nur ich kann mit „meinem“ Kranken richtig umgehen...“ Zum richtigen Umgang und zur Pflege gibt es übrigens konkrete Hilfe: jeden Vormittag findet für die Angehörigen ein Pflegekurs mit gezielten Themen und Inhalten statt.

Bald darauf gibt es Mittagessen, der Raum ist freundlich und hell, das Essen in Buffetform ausgezeichnet. Trotz vieler hoch dementer Menschen ist die Stimmung ruhig, angenehm und leise. Die Angehörigen konnten größtenteils davon überzeugt werden, dass sie ruhig getrennt von ihren kranken Partnern essen können – in Sichtweite, aber eben doch ohne direkte Verantwortung.

Nach dem Essen ziehen sich manche zu einer kurzen Mittagsruhe zurück, einige Kranke werden auch locker in die Dienstbesprechung der Betreuerinnen mit integriert.

Und hier treffen sich die ehrenamtlichen Betreuerinnen, die Altenpflegeschüler und -schülerinnen und die beteiligten Fachkräfte zweimal täglich zum Austausch – was läuft gut, was muss verbessert werden, was gibt es noch aktuell zu regeln und zu organisieren? Für ein tägliches sehr kreatives Programm ist gesorgt; allerdings wird Individualität groß geschrieben – niemand „muss“ ein Angebot wahrnehmen, wenn gerade andere Bedürfnisse im Vordergrund stehen.

Nach einer Kaffeerunde am Nachmittag folgt das Highlight des Tages: ein großer Kinderchor führt die Vogelhochzeit auf! Das bunte Bild der wunderhübsch kostümierten Kinder, die Musik und die lebendige Darbietung vor einem vollen Saal berühren viele Menschen. Viele Augen leuchten, es wird mitgeklatscht und zum Teil auch mitgesungen.

Mittlerweile neigt sich der Nachmittag dem Ende zu, und mein Zug nach Stuttgart wartet.

Ich nehme viele schöne Bilder und Eindrücke mit – allem voran das Gefühl, dass hier mit großer Individualität, Kreativität und hohem Engagement Menschen eine „Auszeit“ aus ihrem Pflegealltag zuhause nehmen können, von der Kranke wie Angehörige noch lange zehren werden!


© Sylvia Kern, Geschäftsführung
Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg e.V.
Haussmannstr. 6, 70188 Stuttgart
Tel: 0711 / 24 84 96-60, Fax: 0711 / 24 84 96-66

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