an der Ostsee mit Alzheimer Erkrankten und ihren Angehörigen Ein Praktikumsbericht von Nicole Marquardt,
Studentin an der Humboldt Universität, Berlin
Während meines Studiums der Rehabilitationspädagogik sah ich mich vor der Aufgabe, ein halbjähriges Praktikum
zu absolvieren. Da ich bereits zuvor aufgrund eines Praktikums in der Alzheimer Gesellschaft Sachsen-Anhalt e.V.
tätig war, entschied ich mich erneut dafür. Die andere Hälfte des Praktikums arbeitete ich in der
Alzheimer-Angehörigen-Initiative e.V. in Berlin. Beide Praktika ergänzten sich perfekt, da ich sowohl
pflegerisch-betreuerische Aspekte als auch die Probleme und Nöte der Angehörigen erfahren durfte.
Die Alzheimer-Angehörigen-Initiative e.V., Berlin (AAI) bietet seit vergangenem Jahr in Kooperation mit der
Landesarbeitsgemeinschaft der Alzheimer Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen e.V. (LAG) zweimal jährlich einen
"Betreuten Urlaub" an. Ziel der Fahrt ist eine umfassende Entlastung für den pflegenden Angehörigen bei
gleichzeitiger Nähe zum Kranken. In dem Zeitraum vom 23.09.1999 - 03.10.1999 fuhren in diesem Sinne mehrere Familien
an die Ostsee. In Boltenhagen, einem der ältesten Ostseebäder, endete unsere Reise.
Die Unterbringung erfolgte im Ortsteil Tarnewitz, in komfortablen, z.T. behindertengerechten Ferienhäusern bzw.
Ferienwohnungen, die mit Bad/WC, Küchenzeile, sowie einer gemütlichen Wohnecke ausgestattet sind.
Zu den drei Hauptmahlzeiten trifft sich die Familiengruppe im "Eulennest". Das Landhaus stellt zugleich
auch den zentralen Anlaufpunkt für den gemeinsamen Gedankenaustausch dar. Kleinere und größere Schwierigkeiten,
deren Lösungen umgehend angegangen werden müssen, stehen im Mittelpunkt.
In den zehn Tagen des Aufenthaltes in Boltenhagen können sich die Angehörigen der teilweise schwierigen und
belastenden Pflegesituation entziehen und die Tage zur körperlichen und seelischen Regeneration nutzen. Der
Betreuungsschlüssel während des Aufenthaltes wird in einem Verhältnis von I:I angestrebt. Um den Angehörigen den
Rückzug aus der körperbezogenen Pflege zu ermöglichen, wird jeder Familie ein fachkompetenter Betreuer
(Schülerinnen der Berliner Altenpflegeschulen und Mitarbeiter der AAI zur Seite gestellt. Auf Wunsch der Familien
unterstützen die Betreuerinnen/Betreuer sie bei den täglichen Verrichtungen wie der Morgentoilette, der
Nahrungsaufnahme aber auch der täglichen Beschäftigung.
Die während dieser Zeit erlebten Erfahrungen können neue Impulse für die häusliche Pflege bedeuten. Es
entstehen positive Grunderlebnisse, die sich auf die künftige Pflegequalität und die Pflegebeziehung in der
Häuslichkeit auswirken.
Für den Angehörigen bestehen vor Ort verschiedene Möglichkeiten sich zurückzuziehen. Es werden Busreisen und
kleinere Ausflüge ins Umland Mecklenburg-Vorpommerns angeboten. Es finden auch Fahrten zur Insel Pöel, nach Wismar
oder Schwerin und zum traditionellen Rauchhaus Möllin statt. In Boltenhagen selbst bieten sich auch viele
Möglichkeiten zur Entspannung. Ein Besuch im Thermalbad, Strandspaziergänge oder Kaffee trinken an der
Strandpromenade, der Angehörige kann sich die Zeit für persönliche Bedürfnisse nehmen. In Tarnewitz finden
regelmäßig Veranstaltungen statt, die für Angehörige und Erkrankte gedacht sind: Grillabende, Brunch mit
Blasmusik oder gemeinsam gesellige Stunden am Abend.
Die Institution "Betreuter Urlaub" ist eine erholsame Abwechslung für Angehörige und Erkrankte, denn
beide können in der Umgebung einen neuen Beziehungsstart angehen. Bei vielen Patienten baut sich während dieser
zehn Tage eine positive Grundstimmung auf, welche die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit beeinflusst.
Diese Veränderung überträgt sich auch auf den pflegenden Angehörigen, der manchmal über plötzlich
wiederkehrende Fähigkeiten des Kranken erstaunt ist.
Die Urlaubstage verflogen schnell und den Kranken, Angehörigen und Betreuern fiel der Abschied sehr schwer. Aber
dann leuchtet den Angehörigen das Datum der nächsten Reise vor dem inneren Auge auf, und sie beginnen die Tage zu
zählen.
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