USA. Amerikanische Wissenschaftler plädieren
dafür, Betreuer Demenz-Kranker mit Hilfe der modernen Telekommunikation
zu unterstützen. Regelmäßige telefonische Kontakte sind
nämlich eine sehr flexible, wirtschaftliche und offenbar in vieler
Hinsicht hilfreiche Methode, um eine relativ isolierte Zielgruppe zu erreichen,
die anderenfalls durch das soziale Netz zu stürzen droht.
Viele Betreuer Demenz-Kranker scheuen davor zurück, sich professionelle
Hilfe zu gönnen, wenn sie mit ihrer Aufgabe praktisch und seelisch
nicht mehr zurecht kommen. Oft begründen sie dies mit Hinweisen wie:
"Ich habe dafür keine Zeit", "Ich kann den Demenz-Kranken
nicht alleine lassen", "Ich will nicht auch noch anderen zur Last
fallen", "Ich muß mein ganzes Geld sparen, um später
die Betreuung in einem Pflegeheim finanzieren zu können".
Wie eine Studie von B. D. Strawn und Mitarbeitern veranschaulicht,
entlastet bereits ein einziges wöchentliches Telefonat mit einem Telefonberater
die Betreuer Demenz-Kranker spürbar. In dieser Untersuchung wurden
14 Betreuer während eines Zeitraums von zwölf Wochen wöchentlich
einmal von
Psychologie-Studenten angerufen, die auf diese Aufgabe durch ein achtstündiges
Training vorbereitet worden waren. Bei den Telefonaten waren die Studenten
gehalten, nicht zu therapieren, sondern die Befindlichkeit des Betreuers
in Erfahrung zu bringen, diesen Empathie spüren zu lassen und bei
Bedarf den Betreuer auf Anlaufstellen aufmerksam zu machen, die praktisch
helfen können. Unter der "Telecare" verbesserte sich das Befinden
der Betreuer signifikant (gemessen an ihren Symptomen und dem Grad der
von ihnen selbst wahrgenommenen Belastung).
Ein bereits detaillierteres Konzept zur "Telekommunikation mit Betreuern
Demenz-Kranker" unterbreiten L. K. Wright und Kollegen. Ihr Ansatz sieht
auch therapeutische Elemente vor und plädiert dafür, die Tele-Betreuung
mit mindestens einem persönlichen Kontakt (möglichst in der Wohnung
des Kranken)
zu eröffnen und zu beschließen. Das Konzept von Wright und
Mitarbeitern geht davon aus, daß Menschen mit ihrer Umwelt vielfältig
verwoben sind. Danach würde man die Entwicklung eines Menschen anregen,
wenn man auf seine Umwelt einwirkt. Entwicklungsanreize entstehen vor allem
dann, wenn die bisherigen
Vorstellungen eines Menschen über sein Leben und seine Beziehungen
so stark irritiert werden, daß sie nicht mehr zueinander passen.
Dies ist oft der Fall, wenn der Ehepartner an Demenz erkrankt. Ob und wie
sich eine solche Situation auflöst, ist prinzipiell offen und hängt
von den Fähigkeiten des Betroffenen ab, darauf günstig oder ungünstig
zu reagieren. Hier kann nach Ansicht von Wright und Mitarbeitern regelmäßige
"Telekommunikation" durch geeignete Interventionen hilfreich eingreifen.
Die telefonische Begleitung
hat den Vorteil, relativ flexibel (der Betreute muß nicht alleine
gelassen werden), sehr wirtschaftlich (keine Anreisen) und wenig stigmatisierend
zu sein: Die Betreuer brauchen niemanden um "Vertretung" zu bitten, damit
sie selbst "zur Therapie" gehen können.
Da "Telefonhilfe" sich schon bei anderen Erkrankungen bewährt
hat (Risikoschwangerschaften, Krebs, Herzerkrankungen, Suizidgefahr) wäre
es schon erstaunlich, wenn nicht auch Betreuer Demenz-Kranker aus ihr Nutzen
ziehen sollten.
Anmerkung der Redaktion:
Die Übertragung solcher innovativer Modelle auf Deutschland dürfte
vorerst an rechtlichen (Verbot der Fernbehandlung) und finanziellen Problemen
(fehlende Abrechnungsgrundlagen) scheitern. In Europa
hat die "Telecare" für Demenz-Kranke und ihre Betreuer zumindest
schon in Großbritannien Fuß gefaßt. Dort ist seit einigen
Jahren der Service CANDID (Counselling and Diagnosis in Dementia) per Telefon
oder E-Mail zu erreichen.
B. D. Strawn u.a.: Telecare: A social support intervention for family
caregivers of dementia victims.
Clinical Gerontologist 1998 (18l3) 66-69; L. K. Wright u.a.: Telecommunications
for caregivers of elders with dementia.
Adv Nurs. Sci. 1998 (20l3) 76-88; R. J. Harvey u.a.: CANDID - counselling
and diagnosis in dementia: a national telemedicine service supporting the
care of younger patients with dementia. Int. J. Geriat. Psychiatry 1998
(13) 381-388
|