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Körperliche Aggressivität Demenz-Kranker wird überschätzt

© Dr. Dr. Herbert Mück, Köln

USA. Im Zusammenhang mit Demenz-Patienten" ist oft und pauschal die Rede von "aggressivem Verhalten". Dabei werden "verbale" und "körperliche" Aggressivität selten unterschieden, obwohl sie jeweils völlig andere Anforderungen an die Umwelt stellen. Wie eine Studie von S. Bridges-Parlet und Mitarbeitern zeigt, sind Demenz-Kranke relativ selten körperlich (!) aggressiv (auch wenn sie oft "stören" oder "belästigen").

Soweit körperlich aggressives Verhalten auftritt, läßt es sich in folgender Weise charakterisieren:

* Es ist überwiegend gegen das Personal gerichtet.

* Es tritt besonders im Zusammenhang mit der persönlichen Pflege wie Baden, Toilettengang und Ankleiden auf.

* Meist ist verbale Aggressivität oder ein Akt der Non-Compliance gegenüber Anweisungen des Pflegepersonals vorhergegangen.

* Die körperliche Aggressivität klingt in der Regel rasch ab.

Zusammenfassend stellen die Autoren fest: Nur äußerst selten sind Demenz-Kranke spontan aggressiv. Im allgemeinen gehört dies nicht zu ihrem normalen Verhalten. Meist reagieren die Patienten dann körperlich aggressiv, wenn eine andere Person in ihren Intimbereich eindringt. Man sollte daher das körperlich aggressive Verhalten eines Demenz-Kranken nicht als Ausdruck von Ärger, sondern als eine verständliche Abwehrreaktion verstehen. Ursache ist ein Mißverständnis des Kranken, der die Annäherung des Betreuers nicht als Hilfsangebot, sondern als Bedrohung erlebt.

Zu diesen Feststellungen gelangte das amerikanische Forscherteam aufgrund einer Studie, in der 20 stationäre Demenz-Kranke nach einem bestimmten Schema beobachtet wurden. Diese Kranken galten als die "aggressivsten" Demenz-Patienten des Hauses. Zusätzlich zog man Aufzeichnungen des Pflegepersonals heran.

Bridges-Parlet und Mitarbeiter plädieren dafür, Verhaltensstörungen von Demenz-Kranken so eindeutig wie möglich zu beschreiben. Auf pauschale Begriffe (wie "Erregtheit", "Agitation") sollte man möglichst verzichten, da sich hinter einem solchen Ausdruck extrem unterschiedliche Verhaltensweisen verbergen können (z.B. Herumwandern, ständiges Fragen, übermäßige motorische Aktivität). Ein unsachgemäßer Gebrauch derartiger Begriffe kann erhebliche Folgen für den Kranken haben (Aufnahme auf eine geschlossene Station, pharmakologische und körperliche Maßnahmen).

Aus präventiver Sicht rät das Autorenteam dazu, Betreuer von Demenz-Kranken speziell im Umgang mit aggressiven Patienten zu schulen. Weitere Schutzmaßnahmen können an der Gestaltung der Umwelt ansetzen (z.B. Wechsel von Mitbewohnern eines Zimmers).

S. Bridges-Parlet et al.: A descriptive study of physically aggressive behavior in dementia by direct observation. JAGS 42 (1994), 192-197

Wir danken

für die Bereitstellung des Textes aus dem ZNS- bzw. DEMENZ-SPEKTRUM

 

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