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für Betreuer Demenz-Kranker

© Dr. Dr. Herbert Mück, Köln

Anpassung an die Welt des Demenz-Kranken

* * Die Umwelt dem Kranken anpassen
* * Behälter und Schränke nicht verschließen
* * Mit Tagesschwankungen leben
* * Das Essen erleichtern
* * Treppensicherung
* * Bewegungsgesteuerte Lichtschalter
* * Optimierung elektrischer Anlagen
* * Beseitigung von Stolperfallen
* * Gesunde und sichere Bodenbeläge
* * Fleckfreie Böden
* * Optische Trennung zwischen Boden und Wand
* * Haltegriffe im Sanitärbereich
* * Arbeitsgeräte in Augenhöhe
* * Lange Zange als Greifhilfe
* * Transparente Regenschirme
* * Optimale Kleidungsverschlüsse
* * Betterhöhung
* * Freier Fensterblick
* * Große sichtbare Hausnummern
* * Sitzkomfort
* * Sinnvolle Armlehnen
* * Stuhlausstattung
* * Geeignete Sitzkissen
* * Stabilität gewährleisten
* * Farbliche Raumgestaltung
* * Ebenerdig Bewegungsraum schaffen
* * Wohnung "pflegegerecht" gestalten
* * Eifersucht verhindern
* * Gemeinsam fernsehen
* * Selbst mitspielen
* * Religiösen Glauben einbeziehen
* * Religiöse Rituale ermöglichen
* * Durch Wohnungsanpassung Einweisungen vermeiden

 
Die Umwelt dem Kranken anpassen Vielfach wird darauf beharrt, daß sich Demenz-Kranke weiter an den Anforderungen der Umwelt orientieren. Allen Beteiligten ist oft mehr gedient, wenn sich die Umwelt den Besonderheiten des Kranken anpaßt. Bei Kindergärten und Altenheimen ist es heute ja auch selbstverständlich, daß sich diese an den Belangen der Zielgruppe orientieren. Machen dem Kranken Gegenstände Angst (z.B. wenn ein Kleiderständer mit Hut und Mantel als "Mann im Raum" wahrgenom men wird), besteht die einfachste Lösung oft darin, das betreffende Objekt wegzustellen.
   
Behälter und Schränke nicht verschließen Verschlossene Behälter und Schränke scheinen viele Demenz-Kranke zu beunruhigen und zum Handeln aufzufordern. Offenbar können sie schlecht aushalten, deren Inhalt nicht zu kennen und allenfalls zu erahnen. Das Herumrütteln an Türen und das Öffnen ist möglicherweise ein Versuch, sich Klarheit zu verschaffen.
   
Mit Tagesschwankungen leben Lassen Sie sich durch Tagesschwankungen oder kurzzeitige Besserungen im Befinden des Kranken nicht irritieren. Allzu leicht täuschen sie eine generelle Besserung vor und lassen so unerreichbare positive Veränderungen erhoffen. Werden Sie nicht ärgerlich oder unsicher, wenn der Patient ausgerechnet in den Augenblicken "aufblüht", in denen Besuch zugegen ist (beispielsweise der Hausarzt). Ziehen Sie aus guten Tagen nicht den Rückschluß, daß Ihnen der Kranke an schlechten Tagen etwas vorspielt.
   
Das Essen erleichtern Unsauberes Essen allein ist noch kein Grund, den Patienten zu füttern. Schaffen Sie dem Kranken während der Mahlzeiten eine ruhige und entspannte Atmosphäre. Benutzen Sie abwaschbare Tischtücher und Untersetzer. Unterlagen unter Tellern und Tassen sollten rutschfest sein. Verwenden Sie unzerbrechliches Geschirr. Ein Schnabelbecher kann das Trinken erleichtern. Lassen Sie den Kranken einen Umhang anziehen, damit er nicht sofort seine Kleidung beschmutzt. Verzichten S ie aber auf Lätzchen und ähnliches. Gestalten Sie den Essensablauf möglichst übersichtlich, indem Sie die einzelnen Speisen nacheinander mit dem jeweils geeigneten Besteck servieren: Ein Besteck mit großen Handgriffen ist für den Patienten leichter zu handhaben; schweres Besteck erinnert den Dementen daran, daß er etwas in den Händen hält. Weiche und zerkleinert servierte Speisen können von Patienten mit Kau- und Schluckschwierigkeiten besser verzehrt werd en.
   
  Denken Sie daran, daß Sie mitunter einem Demenz-Kranken das Leben auch durch folgende Veränderungen erleichtern können:
Treppensicherung
  • Markierung der Stufen mit farbigen Profilen
 
  • zweiter Handlauf an Treppen (besonders bei Wendeltreppen)
Bewegungsgesteuerte Lichtschalter
  • Spezial-Lichtschalter (die sich bei Dämmerung, durch Bewegung oder automatisch einschalten)
Optimierung elektrischer Anlagen
  • Hausflurbeleuchtung (die langsam ausdimmt, so daß man genügend Zeit hat, den nächsten Knopf zu erreichen)
 
  • Möglichkeit, die Hausflurbeleuchtung bereits von der Wohnung aus einzuschalten,
 
  • großflächige Schalter (die sich leichter finden lassen)
Beseitigung von Stolperfallen
  • Ausreichende Zahl von Wandsteckdosen (um das Herumliegen von Verlängerungskabeln zu vermeiden)
Gesunde und sichere Bodenbeläge
  • pflegeleichte, fußwarme und rutschfeste Bodenbeläge
Fleckfreie Böden
  • fleckfreie Böden (Flecken werden als Vertiefungen wahrgenommen, da die Tiefenwahrnehmung des Auges im Alter nachläßt. Dagegen können echte Vertiefungen als "Flecken" verkannt werden, zum Stolpern verleiten und so Unfälle fördern.)
Optische Trennung zwischen Boden und Wand
  • Keine aus Teppich bestehende Teppichleisten (da manche ältere Menschen dann die Wand nicht mehr vom Boden unterscheiden können)
Haltegriffe im Sanitärbereich
  • Haltegriffe im Bereich von Badewanne, Dusche und WC
Arbeitsgeräte in Augenhöhe
  • Hochstellen von Backöfen und Kühlgeräten auf Augenhöhe
Lange Zange als Greifhilfe
  • lange Zange (um damit etwas leichter vom Boden aufheben zu können)
Transparente Regenschirme
  • transparente Regenschirme (die die Sicht nicht versperren)
 
  • an einer Kordel hängende Seifenstücke (die nicht auf den Boden fallen können)
Optimale Kleidungsverschlüsse
  • Reiß- und Klettverschlüsse anstelle von Knöpfen
Betterhöhung
  • erhöhtes Bett (oft reicht das Unterlegen von Klötzen)
Freier Fensterblick
  • freier Blick aus dem Fenster (durch niedrige Fensterbank oder erhöhte Sitzgelegenheiten)
Große sichtbare Hausnummern
  • große, gut les- und sichtbare, insbesondere auch beleuchtete Hausnummer (damit die Wohnung von Hilfs- und Rettungsdiensten leicht gefunden wird)
   
Sitzkomfort Vor allem Patienten mit Gelenkbeschwerden brauchen Stühle und Sessel, die nicht zum Gefängnis werden. Eine optimale Sitzhöhe beträgt mindestens 40 cm und ist niedriger als die Unterschenkellänge, damit die Füße bequem auf dem Boden stehen und nicht auf der Stuhl- bzw. Sesselvorderkante aufliegen. Zwischen der Vorderkante des Sitzmöbels und der Kniekehle sollte ein Abstand von 4 bis 5 cm sein.
   
Sinnvolle Armlehnen Gepolsterte Armlehnen, deren möglichst abgerundete Enden man beim Aufstehen leicht umfassen kann, verbessern den Sitzkomfort. Ein gut ausgebildeter Sesselknauf verlockt zum "Fingerspielen" und lädt zur Fingergymnastik ein. Armlehnen erleichtern das Aufstehen mehr als eine bloße Erhöhung der Sitzfläche! Sie dürfen weder zu hoch sein (da der Patient sonst seine Schultern hochziehen muß), noch dürfen sie zu niedrig sein (da sie sonst beim Aufstehe n nichts nützen). Zu kurze Armlehnen sind beim Aufstehen kaum eine Hilfe.
   
Stuhlausstattung Eine Stoffverkleidung zwischen Armlehne und Sitzfläche hat den Vorteil, daß sie den Patienten warm hält (Schutz gegen Durchzug) und daß sie Gegenstände auffängt, die sonst auf den Boden fallen würden. Eine hohe und nur leicht nach hinten geneigte Sitzlehne erlaubt es der Rückenmuskulatur, sich zu entspannen. Auch seitliche Kopfstützen fördern die Entspannung. Sie sollten aber nicht so weit in den Raum vorstehen, daß sie dem Pati enten die Sicht nehmen und dadurch die Kommunikation mit anderen beeinträchtigen.
   
Geeignete Sitzkissen Auf der Sitzfläche lose aufliegende Kissen mit einem grob gewebten Bezug sind vorteilhaft. Sie lassen sich zum Reinigen leicht abheben und durch ein Klettband so fixieren, daß sie nicht verrutschen.
   
Stabilität gewährleisten Da gehbehinderte Patienten sich beim Durchqueren eines Raumes an Sitzgelegenheiten abstützen, sollten diese stabil sein und möglichst nicht umkippen.
   
Farbliche Raumgestaltung Für viele Demenz-Kranke werden Einlegearbeiten im Fußboden oder plötzliche Farbunterschiede der Teppichböden zu einem unüberwindbaren Hindernis. Einfarbige Flächen sind deshalb vorteilhafter. Eine indirekte und schattenfreie Raumbeleuchtung (500 Lux in Augenhöhe) beugt illusionären Verkennungen und optischen Halluzinationen vor, die vor allem beim Einbruch der Dunkelheit manche Kranken erheblich verunsichern. Eine optimale Beleuchtung dient zude m als äußerer Zeitgeber, der den Schlaf-Wach-Rhythmus normalisiert, die Stimmung aufhellt und beruhigt. Warme Pastellfarben beruhigen und verstärken damit den Effekt einer guten Beleuchtung. Spiegelnde und damit blendende Oberflächen verwirren besonders nachts und erzeugen unnötig Ängste.
   
Ebenerdig Bewegungsraum schaffen Ermöglichen Sie dem Demenz-Kranken, ein Maximum an Bewegungsfreiheit. Vor allem das Gehen gehört zu den ursprünglichsten willkürlichen Handlungen, die selbst Personen mit erheblich eingeschränkten intellektuellen Funktionen noch möglich ist. Für viele Demenz-Kranke ist es eine der letzten Handlungen, die sie aus eigenem Antrieb und kompetent ausführen können. Gehen löst innere Spannungen und verbessert die Stimmung. Treppen erzeugen Ang st und sind gleichzeitig eine ständige Gefahrenquelle. Deshalb sollten alle Einrichtungen für Demenz-Kranke ebenerdig liegen.
   
Wohnung "pflegegerecht" gestalten Schöpfen Sie die Gestaltungsmöglichkeiten Ihrer Wohnung aus, wenn Sie den Demenz-Kranken dort versorgen. Verlegen Sie sein Zimmer in Rufnähe zu den eigenen Aufenthaltsräumen oder gewährleisten Sie, daß der Kranke notfalls durch eine Sprechanlage oder eine Klingel Kontakt aufnehmen kann. Denken Sie daran, daß für einen bettlägerigen Menschen der Blick aus dem Fenster oftmals die einzige Verbindung nach draußen ist. Das Zimmer sollte d aher möglichst nicht auf eine viel befahrene Straße oder einen tristen Hinterhof führen. Stellen Sie das Bett des Kranken in die Nähe eines Fensters und sorgen Sie dafür, daß es von wenigstens zwei Seiten gut zugänglich ist.
   
Eifersucht verhindern Manchen Kranken kann man Eifersucht ersparen, wenn man bei der Suche nach weiteren Helfern darauf achtet, daß diese das gleiche Geschlecht wie der Betreuer oder die Betreuerin haben (sie also nicht "fremd gehen" werden).
   
Gemeinsam fernsehen Demenz-Kranke können oft nicht mehr zwischen Schein und Wirklichkeit unterscheiden. Es ist dann wichtig, sich Sendungen mit dem Kranken gemeinsam anzusehen und über das Gesehene mit ihm zu sprechen. Vor diesem Hintergrund ist eine Schwarz-Weiß-Darstellung zu bevorzugen, da sie weniger echt wirkt. Verzichten Sie vor allem darauf, dem Kranken Kinderprogramme zuzumuten. Wählen Sie statt dessen lieber alte Filme oder Musikprogramme für ihn aus. Eine gute Alternati ve zum laufenden Fernsehprogramm sind Videoaufzeichnungen von Lieblingsfilmen oder -sendungen, da der Kranke sie beliebig oft anschauen kann. Entsprechendes gilt für Filme von früheren eigenen Urlauben oder Familienfeiern.
   
Selbst mitspielen Vertrauen Sie nicht darauf, daß herumliegende Spiele den Kranken zum Spielen ermuntern. Machen Sie selbst mit. In Heimen sollten Spiele so angeboten und durchgeführt werden, daß passivere Patienten zumindest durch Zuschauen teilnehmen können.
   
Religiösen Glauben einbeziehen Viele alte Menschen haben ihr Leben bewältigt, weil sie aus ihrer Religion Kraft geschöpft haben. Nicht selten haben dabei spezielle Bibelsprüche, Psalme oder ähnliches eine wichtige Rolle gespielt. Es ist sinnvoll, dies aus der Biographie des Kranken in Erfahrung zu bringen. Religiöse Worte mit individueller Bedeutung haben schon manchen Demenz-Kranken eindrucksvoll beruhigt.
   
Religiöse Rituale ermöglichen Für gläubige Demenz-Kranke können religiöse Bräuche, wie zum Beispiel das Singen von Kirchenliedern, das Beten der sonntägliche Kirchgang wichtig sein. Viele Kranke sind sehr empfänglich für die atmosphärische Kraft, Ruhe und Feierlichkeit eines Gottesdienstbesuches. Dabei genießen sie die sinnlichen Erlebnismöglichkeiten (zum Beispiel Kerzen, Weihrauch, Musik) und die wohlvertrauten Rituale
   
Durch Wohnungsanpassung Einweisungen vermeiden Viele Demenz-Kranke werden überstürzt aus ihrem häuslichen Bereich in ein Akutkrankenhaus oder eine Pflegeeinrichtung geschickt, weil die Wohnung "zu gefährlich" ist. Oft gibt es jedoch Lösungen, die weitaus preiswerter und für den Kranken erfreulicher sind als der Auszug aus dem vertrauten Heim. So läßt sich der gefährliche Gasherd durch einen Elektroherd ersetzen und verhindern Umbauten im Badezimmer, daß der alte Mensch ausrutscht und stürzt.


Zusammengestellt von Dr. Dr. med. Herbert Mück und Horst Endreß (2. und wesentlich erweiterte Auflage, 8/1999)

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