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Internet-Selbsthilfegruppe


des www.AlzheimerForum.de

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...wie im wirklichen Leben - Freundschaften geschlossen.

Allein gelassen mit der Krankheit verzweifeln Angehörige leicht. Denn wer versteht schon etwas von ihren Sorgen mit dem Kranken? Gesunde machen sich über die Veränderungen kaum Gedanken und wollen auch nichts damit zu tun haben. Außerdem ist es vielen Menschen peinlich, wenn der Ehepartner, der Vater oder die Mutter nicht mehr so "funktioniert", wie ehemals. Was Angehörige in solchen Momenten brauchen, ist Verständnis. Und das finden sie am ehesten bei Menschen, die die Krankheit kennen.

Manchen Angehörigen ist es jedoch nicht möglich, in reale Selbsthilfegruppen zu gehen. Warum?

Weil:

  • diese in zu großer Entfernung stattfinden
  • sie zu Zeiten stattfinden, in denen etwas anderes zu tun ist (zum Beispiel eigene Berufstätigkeit oder die Erziehung von Kindern)
  • die Kranken nicht mitkommen wollen oder nicht betreut werden können
  • kleine Kinder im Haus sind, die während der Selbsthilfegruppe nirgends untergebracht werden können
  • die Sorge entfernt wohnende Eltern betrifft und man sich deshalb bei den "direkt Betreuenden" nicht zugehörig fühlt
  • ein relativ junger Ehepartner betroffen ist und die Familien-Probleme daher anders aussehen als bei älteren Menschen
  • man nicht in der Lage ist, sich vor Menschen zu öffnen; weil man schon menschenscheu geworden ist
  • man seine Sorgen dann loswerden möchte, wenn sie unmittelbar anstehen und nicht auf das nächste Treffen, das womöglich erst in vier Wochen stattfindet, warten kann und will
  • man seinen Kranken bereits im Heim unterbringen musste und Angst hat, sich vor den zu Hause Pflegenden rechtfertigen zu müssen


Diese Gründe motivierten vor vier Jahren die "Macher" des www.alzheimerforum.de , das - von der Alzheimer-Angehörigen-Initiative Berlin ins Netz gestellt und betreut - derzeit mit über 1000 Seiten die umfangreichste deutschsprachigen Internetplattform zum Thema Demenz ist, eine Internet-Selbsthilfegruppe ins Leben zu rufen. Die Gruppe hat derzeit etwa 80 Mitglieder aus der ganzen Welt und unterscheidet sich von realen Selbsthilfegruppen in folgenden Punkten:

Reale Selbsthilfegruppe Virtuelle Selbsthilfegruppe
Treffen zu festgelegten Zeiten Tag und Nacht erreichbar und offen
Manchmal ist die Teilnahme aus Krankheits- oder anderen Gründen nicht möglich Man kann die Zeit, die man am Computer verbringt, selbst bestimmen
Die Zeit des Treffens ist von vornherein festgelegt und es wird darauf geachtet, sie nicht zu überschreiten  Jeder kann das mitteilen, was ihm auf dem Herzen liegt, ohne Angst haben zu müssen, dass die Gruppe endet, bevor er zu Wort kam
Eine überschaubare Anzahl von 8 – 15 Teilnehmern Etwa 80 Teilnehmer mit einem enormen Wissensstand
Mitglieder: meist direkt Pflegende, häufig ältere Ehepartner oder Kinder von Erkrankten, die einen Elternteil zu Hause versorgen Mehrere jüngere Ehepartner (die jüngste Erkrankte ist 45) und viele Kinder, die Ihre Eltern aus der Nähe oder Ferne unterstützen
Nach dem Tod des Kranken wollen Angehörige oft nichts mehr von Alzheimer hören oder zumindest ihre Zeit anders nutzen, als regelmäßig in Selbsthilfegruppen zu gehen Einige Angehörige bleiben auch nach dem Tod des Kranken in der Liste, um Ihr angesammeltes Wissen anderen zur Verfügung zu stellen und damit die Krankheit für sich aufzuarbeiten
Der/die Kranke wird in Abwesenheit des Angehörigen zu Hause versorgt oder zu einer separat angebotenen Betreuung mitgenommen Der Kranke bleibt mit der ihm vertrauten Person in der ihm vertrauten Umgebung. Das Schreiben an die Gruppe findet zu Schlaf- oder Beschäftigungszeiten des Kranken statt
Jedem Redner wird von Anfang bis Ende zugehört. Jeder kann sich "leer" schreiben.
Dauert ein Beitrag zu lange, ist es Sache des Moderators, die Redelänge zu begrenzen Wem das Lesen zu viel wird, kann Beiträge auch wegklicken 
Die Gruppe wird oft von einem Experten oder einer Expertin geleitet, die aber nicht auf jedem Gebiet firm sein kann In der Gruppe befinden sich einige Experten aus verschiedenen Richtungen (zum Beispiel Ärzte, Psychologen und auch Heimangestellte)
Einige Fragen müssen erst recherchiert werden, so dass die Antwort erst beim nächsten Treffen kommt. Die Antworten kommen dank der großen Gruppe spontaner und auch die Zeit bis zum nächsten "Treffen" ist kürzer
Meist füllen praktische Themen die Zusammenkunft Es gibt auch zeitraubende Diskussionen über philosophische Themen
Manche Worte sind "in den Wind" gesprochen. Es ist problemlos möglich, interessante Beiträge zu archivieren und sie zu gegebener Zeit erneut zu lesen
Referenten müssen rechtzeitig gesucht und eingeladen werden Jedes Mitglied kann interessant erscheinende Artikel oder Veröffentlichungen in die Liste stellen
Für die Treffen muss ein Raum gefunden und regelmäßig gebucht werden Organisationsaufwand des Moderators, der sich um die technischen Probleme der Liste sowie die "Auswahl" der Mitglieder kümmert


Wie funktioniert nun so eine "virtuelle Selbsthilfegruppe"? Jedes Mitglied muss sich zuerst einmal beim Moderator vorstellen. "Zaungäste" sind – ebenso wie in realen Selbsthilfegruppen - unerwünscht. Niemand möchte sich gerne an den Pranger stellen und "ausgeschlachtet" werden. Die Adressen der Mitglieder bleiben beim Moderator, wenn sie von den Einzelnen nicht selbst preisgegeben werden. Sobald der Moderator den Kandidaten als vertrauenswürdig eingestuft hat, trägt er ihn in die Liste ein. Ab diesem Zeitpunkt erhält der "Neue" alle an die Liste geschickten Beiträge per elektronischer Post. Von ihm wird nun eine allgemeine Vorstellung erwartet. Danach kann er auch in den "nur-lese-Modus" verfallen. Ein großer Teil der über 120 Mitglieder ist "nur-Leser" – was dafür spricht, dass schon das Mitlesen Hilfe bringt. Die durchschnittlich acht bis 20 Mails, die täglich zusammenkommen, werden von etwa 35 Aktiven geschrieben. Es gibt Beiträge, über die man sich besonders freut, weil sie sehr tiefsinnig sind und einen anregen, weiter zu denken. Und es gibt Beiträge, die viel praktische Hilfe bieten – zum Beispiel bei der Auswahl von Inkontinenzvorlagen oder Dekubitusmatratzen. Manche Mitglieder kennen sich besonders bei der Einstufung in die Pflegeversicherung aus, andere wiederum geben ihre positiven und negativen Erfahrungen in Heimen weiter und helfen somit bei der Entscheidung, ob die Betreuung zu Hause oder außerhalb des Hauses weitergeführt werden soll.

Völliges Inkognito ist unerwünscht, weil es das Vertrauen unterwandert. Eine gewisse Anonymität ist trotzdem gewährleistet. Die bringt den großen Vorteil, dass die Mitglieder nicht auf Grund des Erscheinungsbildes des Einzelnen Zu- oder Abneigungen aufbauen, sondern anhand der Äußerungen. Es haben sich zwischen den Mitgliedern schon einige persönliche Kontakte ergeben, die zu Freundschaften auch über Kilometer hinweg führten. Ein weiterer Vorteil besteht in der Möglichkeit, unsympathische oder nicht enden wollende Beiträge von ausschweifenden Schreibern wegzuklicken - ohne als unhöflich enttarnt zu werden. Die Gruppe ist so groß, dass sich meist jemand findet, der auf einen Beitrag eingeht. Statt Interesse bei Themen zu heucheln, die momentan als "nicht relevant" eingestuft werden, hat jeder die Möglichkeit, Beiträge auf dem Computer zu archivieren, um sie zu gegebener Zeit wieder hervorzuholen. So entstehen im Laufe der Zeit persönliche Archive, in denen festgehalten ist, wie andere mit neuen Ausfällen ihrer Kranken umgegangen sind oder was Experten raten (in der Liste sind auch Ärzte, Psychologen sowie Angestellte aus Pflegeheimen vertreten).

Viele Mitglieder haben die Erfahrung gemacht, dass sich im Niederschreiben der Gedanken schon vieles klärt. Trotzdem ist die Resonanz – auch auf philosophische Beiträge – wichtig, merkt man doch erst dann, ob die Richtung passt, in die man sich entwickelt. Die Möglichkeit, sich auch mal ein paar Tage Zeit für eine Antwort zu nehmen, führt häufig zu einem inneren Reifeprozess und auch zu tiefschürfenden Themen über Gott, die Liebe und den Tod. Ein Unterfangen, das face-to-face schon mal peinliche Empfindungen hervorruft, oder in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit höchstens angeschnitten, aber nie zu Ende diskutiert werden kann. Während Themen, die Zeit zum Nachdenken erfordern, schon mal über einen längeren Zeitraum laufen oder nach Wochen noch einmal aufgegriffen werden, gibt es auf Hilferufe meist schnelle Antworten.

Nach spätestens drei Monaten Mitlesen wird der Beitritt zur Alzheimer-Angehörigen-Initiative erwartet. Der Jahresbeitrag (fördernde Mitglieder zahlen 40 Euro, ordentliche Mitglieder 150 Euro) wird zur Instandhaltung der Informationsplattform und die Unterstützung der Ehrenamtlichen verwendet, die sich um die Arbeit hinter den Kulissen der Liste kümmern. Noch können beide Hilfsangebote nicht kostendeckend betreiben werden, weshalb diejenigen, die den größten Nutzen davon haben, auch zur Kasse gebeten werden müssen.

Ausblick:

Weil die Selbsthilfegruppe so gut läuft, haben wir versucht, auch andere Listen ins Leben zu rufen:

  • Manchmal erreichen uns verzweifelte Anfragen von Jugendlichen, von denen ein Elternteil erkrankt ist. Auch Enkel wenden sich an uns in der Hoffnung, Kontakt zu Gleichaltrigen in einer ähnlicher Lebenssituation zu bekommen. Wir haben daher versucht, eine Jugendlichengruppe ins Leben zu rufen. Doch leider kam dort bisher noch nie der Verkehr zustande, wie er für eine lebendige Gruppe nötig wäre.

  • auch Menschen, die Angst haben, selbst zu erkranken, haben wir das Angebot unterbreitet, im geschützten Rahmen miteinander zu kommunizieren. Es gibt zwar Eintragungen in dieser Liste, aber bisher hat noch niemand den Anfang gemacht, über seine Probleme zu schreiben. Jeder wollte wohl nur wissen, wie es den anderen ergeht. Auf dieser Basis ist eine Gruppe tot.

  • Expertengruppe: Mitte Februar 2002 haben wir eine Expertenrunde ins Leben gerufen. Anfangs waren Zuspruch und Begeisterung groß. Alle Angemeldeten wollten die Kontakte nutzen, neue Konzepte vorstellen oder entwickeln. Leider blieb von der ersten Euphorie nichts übrig. Nun werden hier nur noch ab und zu Fragen gestellt, die dann jedoch sehr konstruktiv behandelt werden. Die Anzahl der versendeten e-mails hält sich trotz der knapp 200 Mitglieder sehr in Grenzen.

Autoren:

Gabriele Steininger und Georg Kania



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