Betreuung und Pflege Alzheimer-Kranker

1995 Rosemarie Drenhaus-Wagner
staatlich anerkannte Altenpflegerin
Stand: 27.08.2021
"Dieses Curriculum wurde für eine umfangreiche Vortragsreihe zum Thema "Der einfühlsame Umgang mit den Defiziten, Bedürfnissen und Gefühlen Demenzkranker" aus einer Fülle allgemein zugänglicher Fachliteratur (Büchern, Broschüren, Fachzeitschriften, etc.) zusammengetragen, neu gegliedert und in "strukturiertes Deutsch" übersetzt, zum Teil auch um eigene Beiträge ergaenzt. Die Autorin erhebt ausdrücklich nicht den Anspruch geistige Urheberin all der hier wiedergegebenen Sachinformationen, Hinweise und Tips zu sein. Es wäre im Nachhinein nur mit grossem Aufwand möglich die jeweilige Quelle zu zitieren und würde auch erheblich die Lesbarkeit stören. Zudem ist oftmals der eigentliche Urheber kaum auszumachen - zu sehr gleichen sich in vielen Punkten die Inhalte der verschiedenen Publikationen. Wir bitten daher die "Erfinder" von Methoden, Techniken und Tips um Verständnis, und verweisen an dieser Stelle nur ganz allgemein auf unsere Literaturliste (siehe Unterpunkte zu 2.16 des Top Level Inhaltsverzeichnisses)."

3.2 Verlust der Orientierung

• Verlust der Orientierung = Störung des Gedächtnisses für die vielen alltäglichen Begebenheiten
• Orientierungsverlust in den Bereichen (in genau dieser Folge):
  - Zeit
  - Ort und Raum
  - Situation
  - Person
  - zur eigenen Person
  - am eigenen Körper
• Ein Kranker mit starker Desorientierung zur Zeit kann zur Person sicher, zur Situation aber schon unsicher orientiert sein.
  
• Auch innerhalb dieser Bereiche nehmen die Störungen kontinuierlich zu.
  Vorab: Orientierungshilfen
• Orientierungsverlust zu beachten hilft dem Kranken oft mehr als Orientierungshilfen!
  - Ein Kalender hilft nur solange, wie z.B. das Tagesdatum für den Kranken noch eine Bedeutung hat.
  
• Orientierungshilfen müssen zur Biographie des Kranken passen!
  
• Orientierungshilfen stets nach dem Schweregrad der Demenz ausrichten
• Orientierungshilfen unterstützend - nicht korrigierend - geben!
  Denn korrigierende Wahrheitsliebe:
  

  1. macht dem Kranken die Fehlleistung bewußt

  => schädigt das Selbstbewußtsein
  => macht unsicher und ängstlich
  => Angst verwirrt

  2. wird vom Kranken als Angriff auf seine innere Realität (objektive Vergangenheit) empfunden.

  => zerstört damit die letzten Inseln der Erinnerung und Identität
  => trägt zur Auflösung der Persönlichkeit bei, was auch für den Angehörigen schmerzhaft ist.
  Beispiel: Fr. C. deckt für mehrere Personen den Kaffeetisch, obwohl nur die Tochter bei ihr ist und sie zu zweit kaffeetrinken wollen.
  Falsches Verhalten: Korrigieren, sich auf eine Diskussion einlassen, unbedingt richtig stellen wollen.
  Reaktion: Der Kranke geht in die Verteidigung, Diskussion nervt alle Beteiligten, der Kranke ist aggressiv oder depressiv verstimmt, das Essen schmeckt keinem.
  Richtiges Verhalten: Den Tisch bewundern, den Kranken loben, sagen "Die Gäste haben angerufen, sie kämen später. Wir fangen schon mal an!".
  Ggf. unauffällig das überflüssige Geschirr wegräumen.
  Reaktion: Der Kranke genießt die Atmosphäre, fühlt sich wohl, sein Selbstwertgefühl ist gestärkt und er vergißt, daß er für mehr Leute gedeckt hat.
  => Erst die "Brille" des Kranken aufsetzen, dann die eigene!
  

  3.2.1 Zeitliche Desorientierung

  3.2.1.1 Ursachen der zeitlichen Desorientierung

• Plaques im Schläfenlappen beeinträchtigen u.a. das Zeitgefühl.
  
• siehe auch Gedächtnisverlust!
  (Kein Zeitkontinuum, wenn unmittelbar Vergangenes vergessen wird!)

  3.2.1.2 Wie sich die zeitliche Desorientierung bemerkbar macht

• Folgende Fragen kann der Demenzkranke nicht mehr sicher beantworten:
  - Wie spät ist es - morgens oder abends?
  - Welcher Tag ist heute, welcher Monat, welches Jahr, welche Jahreszeit?
  - Wie alt bin ich?
  - Wie lange warte ich schon, tue ich schon etwas, bin ich schon hier?
  
• Zeitbezüge, wie Wochentage, Monate, Jahreszeiten etc. verlieren ihre Bedeutung
  - Sonntags zur Sparkasse gehen.
  - Dienstags dem Nachbarn einen schönen Sonntag oder "Frohe Ostern!" im Januar wünschen
  - Pelzmantel im Sommer, im Winter Pelzmantel und Sommerschuhe
  - Verzweifeltes Warten auf den Bus zur Tagesstätte.
  => Die Unkenntnis der Tageszeit macht dem Kranken Angst
  - etwas zu versäumen
  - sich zu verspäten.
  => Das alles macht ihn unsicher, hilfloser, verwirrter.
  
• Die innere Uhr ist bei Demenzkranken gestört. Die Folgen sind:
  - Schlafumkehr: Die Nacht wird zum Tag:
  - Kranke laufen nachts durchs Haus, klingeln überall, wollen einkaufen gehen, telefonieren etc.
  - Der Kranke kann keine Zeiträume mehr abschätzen
  - 5 Minuten warten können zur Ewigkeit werden

  3.2.1.3 Der Rückzug in die Vergangenheit und seine Folgen:
  

  1. Isolation

  Der Kranke
  - kann Vergangenheit und Gegenwart nicht mehr unterscheiden
  => sucht unruhig etwas, das zu seiner Vorstellungswelt paßt,
  => driftet in eigene Erlebniswelt ab,
  => mißversteht Situationen (deutet das Geschehen um ihn herum um)
  => reagiert "falsch", wenngleich aus seiner Sicht völlig folgerichtig!
  => merkt das und fühlt sich unbehaglich im Umgang mit anderen (die anderen natürlich auch!)
  => meidet solche Situationen und isoliert sich selbst dadurch, (auch das soziale Umfeld weiß mit dem Kranken immer weniger anzufangen:
  reagiert aggressiv oder distanzierend, belächelnd und isoliert den Kranken ihrerseits)
  => gerät darüber in Depression,
  => Unsicherheit verstärkt Angst, Angst verstärkt die Verwirrtheit.
  An den Erinnerungsinseln hängt der Rest der angegriffenen Identität u. Selbstachtung!
  

  2. Nachlaufen:
  

  - Isolation und Kompetenzverlust erzwingen Untätigkeit
  => Untätigkeit + punktuelles Zeitempfinden wirken wie ein Strudel in die Vergangenheit,s
• + Tatendrang bleibt
  => Tatendrang + erzwungene Untätigkeit + empfundene Leistungsdefizite erzeugen Unruhe.
  => Unruhe + Zeitenstrudel + plötzlich einschießende Gedanken machen aus der Gegenwart ein unverständliches Chaos.
  => Desorientierung + Chaos können Panik hervorrufen (vor allem bei Dunkelheit)
  => Um Panik zu vermeiden läuft er ständig seinem "Lotsen" nach.
  ! ! Vorsicht: Psychopharmaka zur Beruhigung stellen das Gehirn ruhig
  => wodurch es noch schneller degeneriert.
  Für den Kranken ist sein Betreuuer, sein Lotse im strukturlosen Strudel von Zeit u. Raum!
  

  3.2.1.4 Mögliche Orientierungshilfen zu Zeitbezügen

• Orientierungshilfen zur Frage: Wie spät ist es?
  - Große Uhren in Sichtweite aufhängen ABER:
  - Die Fähigkeit die Zeit zu lesen, geht früh verloren.
  - Auch bei richtig genannter Zeit, kann die Bedeutung der Zeitangabe (1 Uhr = Mittag) gestört sein.
  - Begrüßung: Guten Morgen/Abend
  - Auf verändertes Tageslicht (Dämmerung, Dunkelheit, Sonnenschein, Sonnenuntergang) hinweisen
  - Den Tag gut durchstrukturieren:
  - Körperpflege, Post aus dem Briefkasten holen und Mülleimer leeren, Mahlzeiten, Einkaufen, Spaziergang, Fernseher ein und aus, Anrufe von den Kindern, Schlafen gehen, alles stets zur gleichen Zeit!
  - Mahlzeiten (was gegessen wird, Marmelade oder Wurst) sind auch Orientierungshilfen
• Orientierungshilfen zur Frage: Welcher Tag ist heute?
  - Zeitung
  - großer Abreißkalender mit großen Zahlen in Sichtweite aufhängen,
  Bezugsquelle für Kalender
  - Datum selber unterstreichen oder die Tage durchstreichen lassen
  - das Datum mehrfach täglich erwähnen und immerwieder ins Gespräch ein bauen
  - bestimmte Aktivitäten zu festgelegten Tagen:
  - Samstag = Badetag
  - Ella kommt immer mittwochs / Wochenmarkt am Samstag
• Orientierungshilfen zur Frage: Welchen Monat / Jahreszeit haben wir?
  - Jahreszeitlicher Raumschmuck: Osterglocken, Osterschmuck, frisches Obst der Saison, Herbstlaub, Tannenzweige/Adventskranz, Tannenbaum
  - Mahlzeiten: Neujahrskarpfen, Gänsebraten zu Weihnachten, Plätzchen backen im Advent
  - Aktivitäten zu besonderen Tagen: Ostereier suchen, Kirchgang zu Weihnachten
  - Glockenläuten zu den Festen beachten
  - Wochenmarkt besuchen
• Welches Jahr haben wir?
  - Es wird nicht nur das aktuelle Jahr vergessen, der Kranke driftet ab in die Vergangenheit, lebt zunehmend in der Erinnerung und kann sie von der Gegenwart nicht mehr unterscheiden.
  - Beim Alzheimerkranken liegt "die Vergangenheit in der Gegenwart"
  - Er hält die Vergangenheit einschließlich ihrer Menschen für gegenwärtige Realität
  - Er driftet ab in seine eigene Erlebniswelt.
  => Peinliche und sehr schmerzhafte Situationen für den Angehörigen
  - Der Kranke will zu seinen Eltern, will unbedingt und sofort das Haus verlassen
  - Der Kranke deckt für 6 Personen den Tisch, obwohl er nur noch mit seiner Frau zu zweit ist.
  

  3.2.1.5 Verhaltensregeln zum Umgang mit zeitlicher Desorientierung

• Auf die innere Realität des Kranken eingehen!
  Situation:
  Herr D. nimmt morgens seine Aktentasche, schaut unruhig auf die Uhr, zieht seine Schuhe an und sagt seiner Frau, daß er jetz sofort zum Dienst müsse und sowieso schon zu spät komme.
  Falsches Verhalten:
  Seine Ehefrau reißt ihm die Tasche weg und versucht ihm das Wegwollen auszureden: "Du bist seit 20 Jahren Rentner.
  Deine Firma existiert schon lange nicht mehr und Deine Arbeitskollegen sind auch schon Rentner oder gar tot."
  Reaktion:
  Panik, Herr D. fühlt sich unverstanden, nicht ernst genommen Richtiges Verhalten:
  Die subjektive Situation des Kranken akzeptieren und seine Gewissenhaftigkeit wert schätzen (validieren), z.B.: "Ich weiß du bist stets ein gewissenhafter Angestellter, aber heute ist doch dein freier Tag."
  oder: "Seit heute hast Du deinen wohlverdienten Urlaub."
  oder (wenn es paßt): "Warte, bis dich dein Kollege abholt."
  

  3.2.1.6 Verhaltensregeln bei Störung des Schlaf-Wach-Rhythmusses

• Möglichst nicht am Tag schlafen!
  - ausgefüllter Tagesablauf mit viel Bewegung
  - Auch den Abend mit Aktivitäten gestalten!
  - nicht zu früh ins Bett (6 Stunden Schlaf reichen auch gesunden alten Menschen!)
  - Den Tag im Sessel sitzen und dort öfter einnicken reduziert das nächtliche Schlafbedürfnis beträchtlich!
  
• Sorgen am Tag besprechen!
  - nicht am Abend
  - höchstens eine Stunde
• leise Hintergrundmusik im Schlafzimmer
• Schlafrituale pflegen
  - Wann ging der Kranke üblicherweise zu Bett?
  - Welche Aktivitäten gingen dem voraus?
  - Fernsehen
  - Waschen
  - Glas Bier trinken
  - Lesen im Bett
• regelmäßige zu-Bett-geh-Zeiten
• Körperliche Ursachen ausschließen bzw. beseitigen:
  - entspannendes Fußbad oder warme Socken gegen kalte Füße
  - kleine Spätmahlzeit beugt Unterzuckerung vor
  - Getränk gegen nächtlichen Durst bereitsstellen
  - Nachtlicht oder Nachtstuhl für nächtlichen Weg zur Toilette bereitstellen
• getrennte Schlafzimmer
  - Wohnung gegen nächltliche Aktivitäten sichern
  - Brand- und Sturzgefahr ausschließen
  - Wohnung verschließen
  - Abwägen, was wichtiger ist: die eigene Nachtruhe oder kein morgendliches Chaos in der Wohnung
• Medikamente gegen Schlafstörungen
  - ggf. gleiche wie gegen Erregungszustände
  - anregende Medikamente (NoOtropica) oder Kaffee vermeiden (Kaffee kann bei niedrigem Blutdruck auch paradoxe Wirkung haben)
  - Alternativen:
  - Kräutertee mit Johanniskraut und Baldrianwurzel (es gibt fertige Mischungen!)

  3.2.2 Räumliche und situative Desorientierung

  3.2.2.1 Ursachen und Verlauf der Desorientierung zum Ort und zur Situation

• Plaques und Neurotransmitter-Mangel (Somatostatin- und Serotonin) im Scheitellappen und die starken Schäden am Hippocampus beeinträchtigen:
  - räumliche Wahrnehmung (=> Fehlwahrnehmung), bzw. Orientierung im Raum
  - Mustererkennung
• siehe auch zeitliche Orientierung und Gedächtnis
• Mit der Arbeit verliert der Kranke wichtige Anreize in seinem Leben:
  - soziale Kontakte,
  - gesellschaftliche Stellung,
  - strukturierende Gewohnheiten, alles wichtige Orientierungspunkte!
  
• Sein Erfahrungsumfeld engt sich ein auf:
  - 1 Wohnung, 1 Zimmer, 1 Bezugsperson
  => Verarmung an Reizen weitet sich aus (Fehlende Anreize beschleunigen geistigen Verfall).
  Verlauf:
  
• Die räumliche und situative Desorientierung engt den Lebensraum des Kranken zunehmend ein:
  - Anfangs findet er sich in fremder Umgebung und unter fremden Menschen nicht mehr zurecht.
  - Später dann nicht mehr am vertrauten Wohnort mit Nachbarn, Freunden.
  - Schließlich findet er sich nicht mehr in der eigenen Wohnung mit den eigenen Angehörigen zurecht.
  - Dann ist nur noch der Betreuer Orientierungspunkt und Lotse
  => ständiges Hinterherlaufen

  3.2.2.2 Wie sich die räumliche Desorientierung bemerkbar macht

  
  - Folgende Fragen kann der Demenzkranke nicht mehr sicher beantworten:
  - Wo bin ich? (Wohnung, Haus, Wohnort)
  - Was geschieht hier? (zu Hause, beim Arzt, im Heim)
  => Viele Situationen werden zum Problem.
  - Beispiele:
  - verlaufen, verfahren, erkennen ihre Straße nicht mehr, irren hilflos durch die Straßen
  - verhalten sich falsch an Ampeln; laufen in den fließenden Verkehr (erfassen nicht mehr die Gefahr)
  - benutzen falsche öffentliche Verkehrsmittel (falsche Richtung, falsche Linie)
  - zieht bei Darmdang während des Parkspaziergangs einfach die Hose runter
  - verkennt z.B. Krankenhaus-Tagesraum als Café - Küchenhilfe - "Hallo Fräulein, Bringen Sie mal bitte die Karte!" (räumliche, situative und persönliche Desorientierung!)
  - versteckt sich mit panischem Schrecken hinterm Sessel vor einem Löven, den er im Fernseher sieht (Der Kranke mißversteht die Situation und reagiert infolgedessen falsch
  - obwohl aus seiner Sicht richtig)

  3.2.2.3 Milieugestaltung

  - Raum und Boden
  - abwechslungsreich aber klar gegliederter Raum
  - kontrastfreier Bodenbelag im Bewegungsbereich
  - ggf. Kontraste im Bodenbelag auf der Schwelle zum Tabubereich
  - Tabu-Türen in Wandfarbe streichen bzw. tapezieren
  - Licht
  - Schatten vermeiden durch helle indirekte Beleuchtung!
  => keine bedrohlich wirkende Schatten infolge von Fehldeutung
  => Männer urinieren gerne in abgelegene schattige Ecken
  - Licht mit hohem gelb/rot-Anteil läßt Menschen gesünder und freundlicher aussehen
  - Licht mit hohem blau/grün-Anteil läßt Menschen krank und bedrohlich aussehen
  - Raumtemperatur
  - günstig: 21ø bis 22ø (Erfahrungswert)
  - höhere Temperaturen wirken aggressionsfördernd
  - Musik
  - vorzugsweise ruhige, stimmungsvolle Musik
  - mäßig rhythmische Musik fördert Breitschaft zu Bewegung und Tanz
  - Lieder fördern Breitschaft zum Singen
  - stark rhythmische oder disharmonische Musik fördert Aggression

  3.2.2.4 Mögliche Orientierungshilfen zu Raum und Situation

• Das Zuhause = die beste Orientierungshilfe:
  - vertraute Möbel, Bilder, Geräusche, Teppiche, Gerüche, Erinnerungsstücke in der Vitrine (Pokale!)
  - vertrauter Weg zur Toilette - selbst nachts
  => Zuhause behält der Kranke am längsten seine Selbständigkeit (oftmals rapider Verfall in fremder Umgebung, z.B. Krankenhaus)
• Orientierungstraining in der Umgebung:
  - Vertraute Wege beim Spazierengehen benutzen"
  => der Kranke läuft fast selbständig
  => stärkt sein Selbstwertgefühl
  - Auf vertraute Orientierungspunkte aufmerksam machen!
  - z.B.: Kirche, Post, Kneipe, Briefkasten
  - Orientierungspunkte auch zum eigenen Haus geben!
  - z.B.: Litfassäule, Telefonzelle, Baum
  - Visuelle Orientierungshilfen auch verbal unterstützen! z.B.:
  - Weg zum Friedhof - an Ampel - Signalknopf drücken lassen - auf Ampelphase aufmerksam machen
  - große Schilder anbringen!
  - z.B.: an Kränken und Schubläden, Zimmertüren, überdimensionales Na mensschild

  3.2.2.5 Verhaltensregeln zum Umgang mit situativ Desorientierten

• Orientierungshilfen geben! (s.o.)
• Situationen vereinfachen!
  
• Überforgerung durch übermäßige Sinneseindrücke vermeiden!
  
• Freiraum gewähren:
  - Fühlt sich der Kranke in der Situation wohl? Ja!
  - Kann die Situation für den Kranken gefährlich werden? Nein!
  => Den Kranken in der Situation belassen!
  - Beispiel: Unterhaltung mit dem Spiegelbild
• Kollision vermeiden!
  - nicht frontal auf den Kranken zugehen (nach Möglichkeit seitlich schräg von links auf den Kranken zugehen)
  - rückwärts zu schiebender Rollstuhl
  - bietet Möglichkeit zum Blickkontakt zur Bezugsperson
  - vermeidet ängstigendes visuelles Erleben von auf den Kranken zukommenden Personen und Gegenständen
  - vermeidet Verlassenheitsgefühl
• zweckloses Argumentieren vermeiden!
  
• Problemlösungen auf der Verhaltensebene des Kranken suchen!
  
• subjektive Welt gelten lassen!
  - Die subjektive Welt des Kranken ernst nehmen und zunächst gelten lassen. (Validation)
  => Dem Kranken dadurch vermitteln, daß man ihn ernst nimmt.
  - Beispielsituation: Skispringen im Fernsehen.
  Situation: Der Kranke (begeisterter Skifahrer) schaut sich im Fernsehen gemeinsam mit seiner Frau Skispringen an - sieht die vielen Zuschauer, und hat Angst, kein freies Hotelzimmer mehr zu bekommen.
  Falsches Verhalten: Durch Argumentieren versuchen, die Situation richtig zu stellen.
  Reaktion: Die Angst wird nicht abgebaut, Verwirrtheit nimmt zu.
  Richtiges Verhalten: Fernseher ausschalten, Vertrauen vermitteln und beruhigend einwirken.
  Reaktion: Der Kranke vergißt schnell die für ihn beunruhigende Situation.
  

  3.2.2.6 Verhaltensregeln bei ständigem Hinterherlaufen

  Situation:
  - Hr. H. folgt ständig seiner Frau, sogar bis auf die Toilette und wird ärgerlich, wenn sie die Tür schließen will.
  Defizite:
  - verminderte Fähigkeit, Informationen zu interpretieren:
  Hr. H. versteht immer weniger, was um ihn herum vorgeht
  - gestörtes Zeitempfinden (z.B. für die Dauer des Alleineseins).
  Bedürfnis:
  Sicherheit: Keine Angst haben müssen, verlassen zu werden.
  Situation aus Sicht des Kranken:
  Hr. H. änstigt sich in einer Welt der Unverständlichkeiten
  - hält sich an seinen Lotsen durch den Strudel von Raum & Zeit
  - glaubt, verschwindet für immer oder lange Zeit hinter der Tür.
  Falsches Verhalten:
  Fr. H. macht Vorwürfe:
  - "Mann, das nervt! Mußt du mich immer beobachten?"
  - "Himmel, bist du heute wieder mißtrauisch!"
  - "Von Tag zu Tag wirst du unselbständiger!"
  - "Kannst du dich nicht einmal selbst beschäftigen?"
  => kränkt Hrn. H. Selbstwertgefühl, verstärkt seine Unsicherheit und seine Anhänglichkeit und damit das Hinterherlaufen.
  Richtiges Verhalten:
  Fr. H. versteht sein Verhalten als ein Zeichen seines Vertrauens
  - versucht herauszufinden, ob ihn etwas ängstigt und versucht ihn ggf. zu beruhigen
  - erklärt ihm vorbeugend laufend, was sie gerade tut
  - hält sich an den von ihr gewählten einfachen Tagesablauf
  - beschäftigt ihren Mann mit einfachen Tätigkeiten, die zu seinen frührern Gewohnheiten passen
  - stellt ihrem Mann einen Wecker, wenn sie geht, und sagt, daß sie wiederkommt, wenn es klingelt
  - entlastet sich selbst, indem sie gelegentlich anderen Familienmitgliedern die Pflege überträgt
  => Für Fr. H. empfindet seine Angewohnheit etwas weniger quälend

  3.2.3 Desorientierung zu anderen Personen

  Ursachen:
• Plaques und Somatostatin und Serotonin-Mangel im Scheitellappen beeinträchtigen u.a.
  - Mustererkennung (z.B. Wiedererkennen des Gesichtes)
• Mit dem Stellenverlust in der Gesellschaft
  - verschwinden die sozialen Kontakte und
  - die strukturierenden Gewohnheiten.
  => Der Kranke gerät darüber in Depressionen und Panik, wird unruhig, vielleicht aggressiv
  => Verwirrtheit nimmt zu
  => der Teufelskreis beginnt.
  Verlauf:
  - Nachbarn
  - Freunde Verwandte
  - Kinder
  - Partner (schmerzhaft!)

  3.2.3.1 Wie sich die Desorientierung zur Person bemerkbar macht

• Folgende Fragen stellt der Demenzkranke:
  - Wer sind Sie?
  - Sind sie mein Mann / meine Frau?
  
• Der Ehemann wird zum Sohn - der Pfleger zum Ehemann oder Sohn

  1. Beispiel:
  

  - "Wo ist die Frau, die in meinem Bett war?"
  - Antwort: "Na, das bin doch ich, Deine Else!"
  - "Nein, meine Else hat braune Haare, die sieht ganz anders aus."
  => Das tut weh- nach 50 Jahren Gemeinsamkeit!
  

  2. Beispiel: Die Enkelkinder werden nicht mehr erkannt.
  

• Nachbarn im Hausflur werden nicht mehr gegrüßt
  - Ohne Aufklärung reagieren diese entsetzt und beleidigt.
  
• Langjährige Freunde werden nicht mehr beachtet.
  => Diese ziehen sich zurück
  => Der Weg in die Isolation ist vorprogrammiert.
  => Der Angehörige muß gezwungenermaßen diesen Weg mitgehen!
  => Nichts geschieht vom Kranken aus Böswilligkeit, nicht er hat sich verändert, sondern die Krankheit ihn.
  

  3.2.3.2 Mögliche Orientierungshilfen zu andern Personen

• Namensschilder tragen!
  - z.B. im Heim oder Sozialstation (Pfleger)

  3.2.3.3 Verhaltensregeln zum Umgang mit zur eigenen Person Desorientierten

• Den Gast bei der Begrüßung mit Namen anreden!
  
• Den "Unbekannten" auf alten Familien- oder Urlaubsfotos zeigen!
  
  

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